Die Kirche auf dem “Soldisch”

Ein Vorgängerbau der heutigen Johanniskirche wurde zusammen mit dem gesamten Gebäudekomplex des Teutsch-Hauses zwischen 1881 und 1883 errichtet als Gottesdienstort für die Bewohner des neuen Hermannstädter Stadtteils Josefstadt. Die Gebäude liegen auf einem “Soldisch” genannten Areal, das einst zwischen den zwei Stadtmauern lag. Auf Betreiben des späteren Hermannstädter Stadtpfarrers und Bischofs der Landeskirche, Friedrich Müller, baute man den Komplex als Ersatz für die Laubenkirche auf dem Kleinen Ring (Piaţa Mică).

Zum Gedenken an Luther

Am 10.11.1883, zum Luthergedenkfest (400. Geburtstag), werden Kirche und Waisenhaus eingeweiht, letzteres erhält den Namen Lutherhaus. Die Johanniskirche erhält ihren Namen zum Andenken an den Stifter Johannes Engelleiter, Pfarrer in Neppendorf, und den Apostel und Evangelisten Johannes.

Wegen Baufälligkeit muss die Kirche 1911 nach nur 26 Jahren abgetragen werden. Aufgrund des nachgebenden Baugrundes zeigten sich aber schon im Jahre 1909 irreparable Schäden, so dass umgehend ein völliger Neubau der Kirche und der angrenzenden Wohnung des Waisenhausleiters ins Auge gefasst werden musste. An gleicher Stelle wird eine neue größere Kirche errichtet. Der Architekt ist Josef Bedeus von Scharberg. Die neue Johanniskirche wird am 10. November 1912 eingeweiht.

Zweiter Kirchenbau an diesem Ort

Scharberg verlieh dem Neubau eine eigenständige Architektursprache, die sich keiner Stilrichtung eindeutig zuordnen lässt. Außen erhielt die Kirche mit Glockenturm und geducktem Tor ein Gepräge, das spielerisch und zugleich gezielt an das Erscheinungsbild siebenbürgisch-sächsischer Kirchenburgen erinnert.

Bedeus verließ ausgetretene Pfade der Hermannstädter Architektur und rückte auf halbe Strecke zwischen Fin de siècle und Moderne vor. Die Ursprünge des architektonischen Denkens, das der Johanniskirche zugrunde liegt, verdanken sich dem intellektuellen Umfeld, in dem Bedeus während jener Jahre verkehrte. An der Berliner Kunstgewerbeschule war er mit Begründern des Deutschen Werkbundes und folglich mit dem Denken jener wegbereitenden Architektengeneration in Berührung gekommen, die sich für eine an den tatsächlichen Notwendigkeiten der Menschen ausgerichtete Architektur einsetzte. Auch Bedeus‘ Johanniskirche ist eine Stein gewordene Antwort auf die fundamentale Herausforderung seiner Zeit, die Architektur auf eien zeitgemäße ideelle Grundlage zu stellen.

Historische Betrachtung von Frank-Thomas Ziegler